Gespräch / Interview

In der Türkei Önologe sein: Aysun Pirdel

In der Türkei Önologe sein: Aysun Pirdel

Unser Gespräch mit Aysun Pirdel, der Generaldirektorin des renommierten Weinguts Doluca, eines der größten und ältesten Weingüter der Türkei. Frau Pirdel ist eine von den vielen Frauen, die in der türkischen Weinwelt aktiv sind und türkische Weine vorantreiben.

Nihat A. Kutman hat in den 1920ern in Geisenheim Vitikultur und Önologie studiert. Nach seiner Rückkehr in die Türkei hat er in 1926 in Istanbul das ‚Weinhaus Vitikol‘ gegründet. Die ersten Weine wurden aus den Rebsorten Yapıncak und Karalahne vinifiziert, die in der Heimatstadt Mürefte am Marmara Meer (Provinz Tekirdağ) von Nihat A. Kutman angebaut waren. Diese Weine wurden in Fässer gefüllt und dann für Flaschenfüllung nach Istanbul transportiert. Das war der Anfang eines der ältesten und größten Weingüter der Türkei, dessen Name später zu ‚Doluca‘ (der Name des höchsten Bergs der Stadt Mürefte) geändert wurde.

Ahmet Gök (www.keyifnotlari.com): Wir wissen, dass die Fachleute in der Türkei sie sehr gut kennen. Können Sie sich für die Leser von www.keyifnotlari.com vorstellen?
Aysun Pirdel: In 1986 habe ich mein Diplom in Chemieingenieurwesen an der Universität Istanbul bekommen. Im Anschluss habe ich einen Master in BWL gemacht und danach angefangen, beim Weingut Doluca zu arbeiten. Da ich dort lange gearbeitet habe, habe ich die Gelegenheit gehabt, in allen Phasen der Weinherstellung sowie auf der Management-Ebene zu arbeiten. Aktuell führe ich meine Karriere immer noch bei Doluca.

Wie haben Sie sich dafür entschieden, Önologin zu werden? Ist das so, dass man sofort Önologe wird, wenn man es sich wünscht?
Ich kann sagen, dass ich mich in 1995 dafür bewusst entschieden habe. Das Studium in Chemieingenieurwesen hat dazu beigetragen, dass ich systematisch und manchmal auch nach strikten Regeln gearbeitet habe. Aber die Weinherstellung ist anders. Es hat mich begeistert, die eigene Kreativität anzuwenden oder dass mein Wein an irgendeinem Zeitpunkt vor mir auftritt; dass ich ihn anfasse, verkoste; dass man weiß, dass der Wein lebt… Wenn es ein guter Wein war, der neben dem Trinkgenuß mich noch zum Nachdanken bringen konnte, hatte er mich gleichzeitig dazu motiviert, mich zu fragen, was ich noch anderes/weiteres machen kann. Das hat mich zu neuen Ideen geführt. Außerdem hat es starken Einfluss auf meine Entscheidung gehabt, dass ich mit Herrn Ahmet Kutman, der aktiv als Önologe arbeitet, arbeiten durfte und sehen konnte, wie viel Respekt er gegenüber seiner Arbeit hatte. Die Weinherstellung ist neben den persönlichen Gefühlen ein langer und schwieriger Prozess mit vielen Variablen. Die Rebsorte, die Region, der Boden, das Klima, die angewendeten Methoden im Weinberg, die Lesezeit sind wichtige Faktoren. Neben diesen Faktoren fängt im Keller das Abenteuer mit Chemie, Mikrobiologie, Analysen an. Durch die Erfahrung entstehen langsam ihre eigenen Geheimnisse. Mit Ihren Geheimnissen und Ihrem eigenen Stil können Sie aus einem technischen Wein einen Wein mit viel Trinkgenuß und Freude erzeugen. Dieser Job ist ein Lebensstil. Da die Erfahrungen nur mit der Zeit gesammelt werden können, kann man sich nur so weiter entwickeln, in dem man es lebt.

In der Türkei wird meistens unter der Leitung bzw. mit der Beratung eines ausländischen Önologen gearbeitet. Fast alle Weingüter haben einen ausländischen Berater. Was für ein Gefühl ist es, mit einem ausländischen Berater Weine zu machen? Es ist keine Frage, dass diese Berater Experten sind und sie viel beibringen aber sind da welche Punkte, von denen Sie halten, dass sie verhindernd bzw. einschränkend sind?

Es kommt darauf an, wie Sie sich die Dinge anschauen. In einer globalisierten Welt müssen sie sich selbst und Ihr Weingut weiter entwickeln. Qualifiziertes Personal, das als Winzer oder Kellermeister arbeitet, gibt es leider in der Türkei nicht genug. Sie müssen den Status Quo ändern und sich weiter entwickeln bzw. vorantreiben, um neue Märkte und Ziele zu erreichen. Wenn Sie dabei Ihr Ziel gut kennen, können Sie mit einer guten Zusammenarbeit den richtigen Weg finden. Es ist natürlich so, dass wir nicht immer die gleiche Meinung mit den ausländischen Beratern teilen. Aber dabei gewinnt man andere Perspektiven, wenn man mit Profesionellen fachliche, akademische Diskussionen führt. Außerdem ermutigen sie auch einen, neue Techniken und Methoden anzuwenden, die man sich bisher nicht zugetraut hat. Wenn ich wieder betonen soll: Man soll zuerst das Ziel definieren. Danach können Sie ein richtiges Team bilden und die Grundlagen für eine gute Zusammenarbeit bestimmen.

 

Zweifellos lieben Sie Ihre Weine, die Sie mit Hingabe und viel Fleiß vinifizieren. Außer Ihren Weinen; welche sind die Weine, Rebsorten und Regionen, die Ihnen am besten gefallen? 
Generell möchte ich gerne, dass jeder Wein, den ich trinke, seinen Charakter widerspiegelt, bei jedem Schluck mit verschiedenen Aromen auftritt und mich überrascht. Von den autochthonen Rebsorten der Türkei gefallen mir am meisten Emir und Narince, Öküzgözü aus der Provinz Elazığ und Rotweine aus der Provinz Denizli. Für Ausland: Gewürztraminer aus Elsass, Nebbiolo aus Piemont, Cabernet Sauvignon aus Napa Valley und Shiraz aus Australien trinke ich sehr gerne.

Wir bedanken uns für all die Weine, die Sie bisher vinifiziert haben und auch für das nette Gespräch. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrer weiteren ‚Wein‘-Reise. Möchten Sie gerne zum Schluss noch etwas hinzufügen? Gibt es einen Wein, den Sie vinifizieren möchten, von dem Sie träumen?
Bei dem Weingut Doluca, wo es das große Ziel ist, in allen Segmenten Qualitätsweine zu machen, haben wir als Team große Erfolge gehabt. Es ist ein wichtiges Ziel für meine ‚Wein‘-Reise, diesen Erfolgskurs weiterzuführen und auch unsere neuen Ziele mit Erfolg zu erreichen. Mein persönliches Ziel ist, die Kombination von lokalen türkischen Rebsorten mit den internationalen mehr zu kombinieren. Vielen Dank!

* Die Weine vom Weingut Doluca in unserem Sortiment können Sie hier finden: https://weinatolien.de/produktkategorie/doluca/

** Das türkische Original des Interviews können Sie im folgenden Link lesen:Keyifli Notlar