Gespräch, Gespräch / Interview

‚Die, die mit Wein leben‘: Ardıç Gürsel

Ardıç Gürsel ist Geschäftsführerin des Weingutes Vinkara, das in der Stadt Kalecik in der Provinz Ankara stark in türkische Rebsorten investiert – allen voran Kalecik Karası. Wir haben mit Ardıç Gürsel über ihre Karriere und ihre Leidenschaft für Wein gesprochen.


www.keyifnotlari.com : Anfangen möchten wir gern mit Ihren frühesten Begegnungen mit Wein. Können Sie sich an den ersten Wein erinnern, den Sie getrunken haben?

Ardıç Gürsel: Da ich in Europa studiert habe, habe ich viele französische, spanische, italienische und deutsche Weine trinken können. Mit der Zeit hat mein Gaumen sich weiterentwickelt und die Weine aus Châteauneuf-du-Pape sind zu meinen Lieblingsweinen geworden.

Statt den einfachen Weg zu wählen – nämlich Wein zu trinken und zu genießen – haben Sie einen schwierigen Weg gewählt und angefangen, Wein zu produzieren. Wie und warum haben Sie diese Entscheidung getroffen? Können Sie uns etwas über Ihre ersten Schritte, Ihre aktuelle Produktionskapazität und Ihre Weine erzählen?

Meine Familie ist im Bauwesen tätig. Nach kontinuierlicher Nachfrage sowie Anforderungen von Geschäftspartnern entschied sich unser Familienunternehmen, das seit 30 Jahren auch in den USA tätig ist, für die Weinproduktion. Einerseits wollte man damit diese Nachfrage befriedigen, andererseits wollte man Grundstücke in Kalecik in der Provinz Ankara, die seit den 1960ern in Unternehmensbesitz sind, bewirtschaften. Die ersten Reben wurden 2003-2004 angepflanzt. 2006 wurde der erste Wein vinifiziert. Als ich mich davor mit Tourismus beschäftigt hatte, hatte ich immer davon geträumt, ein Teil der Weinwirtschaft zu sein. Nach der Gründung von Vinkara entstand Bedarf nach einem Manager und so habe ich angefangen, für das Weingut zu arbeiten.

Das Wichtigste war für mich, die Rebsorten Anatoliens weltweit bekannt zu machen, so dass wir uns auf die autochthonen Rebsorten fokussiert haben. Von Anfang an haben wir uns dabei zum Ausland hin orientiert. Deshalb präsentieren wir auf Events im Ausland in erster Linie Weine aus lokalen Rebsorten Anatoliens. Nach langjähriger Forschung & Entwicklung ist es aktuell eine Ehre für uns, dass unsere Weine in internationalen Wettbewerben ausgezeichnet werden und Anklang finden bei Weinliebhabern aus Weltmetropolen wie New York, Connecticut und London.

Im Inland folgen wir demselben Weg. Bei Investitionen in neue Weinberge geben wir lokalen Rebsorten den Vorrang, obwohl wir in unseren Weinbergen natürlich auch internationale Rebsorten anbauen. Die Rebsorte Kalecik Karası, deren Heimat ja die Stadt Kalecik ist, wo unsere Weinberge sich befinden, ist sehr wichtig für uns. Sowohl unser Team als auch unser Önologe Marco Monchiero glauben fest an das große Potenzial sowie die hohe Qualität von Kalecik Karası. Unsere Jungwein-Serie ‚Doruk‘ (deutsch: Gipfel), die hauptsächlich aus reinsortigen Weinen besteht, umfasst 10 verschiedene Weine. Unsere Serie ‚Mahzen‘ (deutsch: Weinkeller) enthält 4 verschiedene, in Eichenfässern gereifte Weine.
Unser Schaumwein Yaşasın ist weltweit der erste Schaumwein, der aus der Rebsorte Kalecik Karası nach der ‚methode traditionelle‘erzeugt wird. Diese Vinifikationsmethode ist dieselbe, die auch bei weltbekannten Champagnern angewandt wird. Der Schaumwein Yaşasın zeigt, dass wir aus lokalen Rebsorten Anatoliens Weine auf höchstem Nievau vinfizieren können. Das bestätigt sich auch darin, dass Yaşasın sich auf dem weltweit wichtigsten Wettbewerb für Schaumweine, ‚Effervescents du Monde’, neben renommierten Champagner-Konkurrenten behaupten konnte und in zwei aufeinanderfolgenden Jahren, 2011 und 2012, Silbermedaillen gewonnen hat.

Zweifellos haben die Weine Ihres Weingutes einen besonderen Stellenwert. Abgesehen von diesen Weinen; welche Weine, Regionen und Rebsorten mögen Sie am liebsten?

Kalecik Karası und Narince sind meine Lieblingsweine unter den lokalen Rebsorten. Von den internationalen mag ich am liebsten Grenache und Tempranillo. Darüber hinaus trinke ich alle Weine von türkischen Weingütern sehr gerne.

Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den Weinen, die Sie mögen, und denen, die Sie machen? Beziehungsweise: Versuchen Sie solche Weine zu machen, die Sie selbst mögen? Oder überlassen Sie alles der Natur?

Ich möchte diese Frage damit beantworten, dass ich gerne das Weingut betreiben möchte, das ich für ideal halte. Um das zu erläutern: Als ich Vinkara übernommen habe, hat es mich nachdenklich gemacht, dass keine unserer Rebsorten auf internationaler Ebene bekannt war, obwohl eigentlich bekannt ist, dass Wein seinen Ursprung hier in Anatolien hat. Ich wollte deshalb, dass ein Außenstehender sich unsere Böden, Rebsorten und unser Terroir anschaut. Aus diesem Grund habe ich im Ausland nach einem Önologen gesucht.

Es war ein schwieriger Prozess, aber wir hatten Glück, dass wir eine sehr wertvollen Menschen gefunden haben, der sich auf seinem Gebiet sehr gut auskennt: Marco Monchiero – einer der wichtigen italienischen Önologen – leitet unsere Produktion. Er hat zur Weiterentwicklung und Etablierung von Vinkara viel beigetragen. Vor allem im Inland versuchen wir, den türkischen Weinliebhabern verschiedene neue Weine anzubieten.

Ihre Weine bekommen in internationalen Wettbewerben bereits viele Auszeichnungen. Zuletzt würden wir nun gern erfahren, was Ihre Erwartungen an die Zukunft und Ihre Ziele sind.

Obwohl anatolische Rebsorten und türkische Weine sehr großes Potenzial haben, existiert auf internationalen Märkten keine signifikante Wahrnehmung: Die Weine sind dort unbekannt. Unsere Rebsorten und Weine könnten mit effektiver Werbung, intensiver Kommunikation und dadurch entstehende Trends größere Bekanntheit erlangen und sich in den nächsten Jahren prominenter platzieren. Dieses Potential wird seit drei Jahren auch von internationalen Experten besprochen und beschrieben. All unserer Arbeit zielt darauf ab, diese Bekanntheit zu erhöhen.
Wie auch in der Türkei wächst auf der ganzen Welt bei jungen Erwachsenen das Interesse an Wein. Der größte Faktor dabei ist, dass qualitativ hochwertige Weine aus der „Neuen Welt“ – im Gegensatz zu denen aus traditionellen Weinländern – zu bezahlbaren Preisen angeboten werden und das Angebot sich an ein jüngeres Publikum richtet. Die neuen Weinkonsumenten sind frei von Vorurteilen; offen für Neues und Vielfalt. Für die türkische Weinwirtschaft ist diese Gruppe eine große Chance.
Unser Ziel ist es, im Weinfachhandel sowie in den Vinotheken unserer neuen Zielmärkte eine eigene Abteilung für die Türkei aufzubauen bzw. in den Weinkarten von Restaurants eigene Seiten mit Weinen aus der Türkei zu bekommen. Dafür ist es natürlich sehr wichtig, dass alle türkischen Weingüter im Ausland zusammenarbeiten und gemeinsam agieren. Zu dieser Zusammenarbeit möchten wir im Rahmen der Organisation ‚Wines of Turkey‘ möglichst viel beitragen.

* Die Originalversion des Interviews auf Türkisch können Sie im folgenden Link lesen: Keyifli Notlar