Gespräch / Interview

Gespräch mit Caro Maurer MW

Caro Maurer MW:  Wir haben mit Caro Maurer -einem der aktuell 9 Master of Wines in Deutschland- ein Interview über Ihre Reise in der Weinwelt gemacht.

Caro Maurer ist die erste Frau im deutschsprachigen Raum mit dem Titel ‚Master of Wine‘. Seit knapp 25 Jahren konzentriert sich Caro Maurer ganz auf die Themen Essen und Wein – in vielfacher Weise. Sie schreibt für den General-Anzeiger Bonn und die Magazine Der Feinschmecker und Fine. Sie unterrichtet Wein für das WSET Diplom in Deutschland, Österreich und Norwegen (ab 2017 auch in Italien) und engagiert sich in der Ausbildung am Institute of Masters of Wine. Außerdem moderiert sie Wein-Tastings und -Seminare (z. B. für VDP, Wine Australia und Wines of New Zealand). Sie ist Jurorin in internationalen Weinwettbewerben wie den Decanter WWA in London. Als Wein-Expertin berät sie auch die Edeka Zentrale.

Caro Maurer war zuletzt im Mai 2017 in Istanbul und hat zusammen mit Oz Clarke (International Wine Challenge, stellvertretender Vorsitzender) die ‚Challenging MasterClasses‚ durchgeführt.

Weinatolien – WEINE DER TÜRKEI: Wir möchten gerne damit anfangen, wie Sie sich mit Wein „kennengelernt“ haben. Können Sie sich an den ersten Wein erinnern, den Sie getrunken haben?
Caro Maurer: An „das erste Mal“ kann ich mich nicht mehr erinnern, aber da ich zur Generation Baby Boomer gehöre und meine frühen Sommerurlaube mit den Eltern an der italienischen Adria verbrachte, vermute ich, dass mein erstes Glas Wein ein Chianti aus der Bastflasche war. Meine erste wahre Wein-Liebe war später jedoch deutscher Riesling. Er hat mich tief berührt und so fasziniert, dass ich mehr darüber wissen wollte.

Wie schwierig war es, den Titel ‚Master of Wine‘ zu erreichen? Es war wahrscheinlich gar nicht so einfach, die Prüfungen zu bestehen, um diesen Titel zu erreichen. Können Sie kurz Ihren Weg zum ‚Master of Wine‘ beschreiben?
Wieviel Zeit und Platz habe ich für die Antwort? Ich könnte stundenlang davon erzählen: von vielen Höhen und den Tiefen. Über die vielen Weine, die ich bei den Blindverkostung völlig verkannt hatte – oder die gefühlt viel zu wenigen, die ich in Herkunft und Qualität auf den Punkt genau identifizieren konnte. Über die vielen Theoriefragen, die mir meine Wissenslücken offenbart haben – oder die Antworten, die zeigten, dass ich doch mehr als nur einen blassen Schimmer hatte. Oder die Gefühle, als ich die Ergebnisse aus London bekam: überwältigende Freude, als ich die praktische Prüfung im ersten Anlauf bestanden hatte. Tränen, als ich die Theorie im zweiten Anlauf geschafft hatte. Und schließlich totale Erschöpfung, als auch noch die Dissertation anerkannt wurde – und alles plötzlich vorbei war. Zurück bleibt bis heute die glückliche Erkenntnis, dass sich die ganze Plackerei gelohnt hat.

Gibt es aktuell ein Anbaugebiet oder eine Region, die Sie besonders interessiert und/oder auf die Sie neugierig sind?
Am meisten interessieren mich immer die Weinbaugebiete, die ich noch nicht besucht habe. Und davon wird es immer genügend geben, denn die Weinwelt wächst und verändert sich jeden Tag. Wenn ich heute die Wahl hätte, würde ich gern Ao Yun besuchen, das Weingut von Moët Hennessy in Yunnan in China. Dort entsteht ein Weltklassewein, der von vielen Genießern und auch Kritikern eine neue Weltoffenheit einfordern wird.

Was sind die aktuellen Tendenzen in der Weinwelt nach Ihrer Meinung? Gibt es irgendwelche Neuigkeiten, Tendenzen, Entwicklungen,…, die Sie im positiven Sinne aufregen bzw. über die Sie sich freuen?
Ich denke, dass nach Jahren der Fülle und des Schwelgens in Frucht und Wucht setzt sich heute wieder mehr Leichtigkeit, Eleganz und Finesse durch. Das bezieht sich aber sicherlich nur auf ein gehobenes Angebot.

Was denken Sie über die türkischen Weine? Wo sehen Sie sie aktuell in der Weinszene? Wo kann die Reise für türkische Weine hingehen?
Sie müssen immer bedenken, dass meine Sicht auf türkische Weine eine Außensicht ist. Ich weiß, dass innerhalb des Landes gern Weine aus internationalen Rebsorten getrunken werden. Aber für mich sind es die türkischen Rebsorten, die den Weinen aus der Türkei eine Alleinstellung im Rest der Weinwelt sichern. Narince hat ein sehr feines Aroma. Mit Kalecik Karasi und Öküzgözü hat die Türkei zwei ausdrucksvolle rote Rebsorten. Ich persönlich schätze Bogazkere am meisten, dessen strammes Tannin manchem zwar unbequem erscheinen mag, aber einem Wein viel Struktur und Potenzial verleiht.

Apropos Reise: Sie reisen viel durch die Weinregionen/Anbaugebiete. Sie haben sicher viele schöne Erinnerungen und Momente, die einen besonderen Platz bei Ihnen haben. Können Sie uns ein solches Erlebnis erzählen, das Sie nicht vergessen können?
Es gibt weder das eine einzige Erlebnis, dass ich nie vergessen werde, noch den einen einzigen Wein, den ich am meisten liebe. Dafür gibt es zu viele unvergessliche Weine auf der Welt – und zu viele unvergessliche Momente. Das schönste ist, dass jedes Land eine ganz eigene Weinkultur mit unvergleichlichen Besonderheiten hat, in die ich mich verliebt habe: Neuseelands ist eingebettet in eine umwerfende Landschaft, Frankreichs in eine beeindruckende Geschichte oder Kaliforniens in bemerkenswerten Professionalismus. Wenn ich an meine Besuche in der Türkei zurückdenke, ist es immer die einzigartige Gastfreundschaft, die mir sofort in den Sinn kommt.

Haben Sie Vorschläge oder Empfehlungen für die türkischen Weinliebhaber oder auch Profis, die sich im Thema ‚Wein‘ und in ‚Wein-Ausbildung‘ weiterentwickeln möchten und für sich höhere Ziele wie MW setzen?
Sommeliers rate ich, den Weg des Master Sommelier (MS) zu nehmen, denn dort können sie ihr Fachwissen und ihre berufliche Erfahrung am besten einsetzen. Für andere Weinprofis empfehle ich die Ausbildung des Wine and Spirit Education Trust (WSET), sie ist weltweit bekannt und anerkannt. Das WSET Diplom gilt zudem als beste Grundlage für den Master of Wine.

Vielen Dank für das nette Gespräch, Frau Maurer!

* Die türkische Übersetzung des Interviews können Sie im folgenden Link lesen: Keyifli Notlar